Johann Joseph Rösler wurde nach seinem Tod bald fast vollständig vergessen. Sein Klavierkonzert in Es allerdings verdient eine Wiederbelebung. Die Neuausgabe bei Bärenreiter Praha hilft dabei.
Die Urtext-Edition des Klavierkonzerts Es-Dur stellt ein lang verlorenes Werk des böhmischen Komponisten, Kapellmeisters und Klaviervirtuosen Johann Joseph Rösler (1771–1812) vor, der in Prag und Wien wirkte. Obwohl er als Pianist und Komponist zu Ruhm gelangte und mehr als 200 Werke hinterlassen hat, wurde sein Name nach seinem Tod schnell vergessen. Erwähnt wird er zwar in den wichtigsten Lexika des 19. Jahrhunderts, aber eingehendere Abhandlungen oder gar eine Monographie gibt es über ihn bis heute nicht. Eine Ausnahme stellt der erste Satz seines Klavierkonzerts D-Dur dar, der ca. 1890 in den Supplementband der Alten Beethoven-Gesamtausgabe von Guido Adler aufgenommen wurde. Adler hatte einige Jahre zuvor handschriftliche Kopien der Orchesterstimmen dieses Konzertsatzes in Prag und die dazu gehörige Kopie des Klavierparts in Wien gefunden, als deren Autor Beethoven angegeben war. Den wirklichen Komponisten dieses Konzerts, Rösler, identifizierte erst 1925 Max Engel. Weitere Neuausgaben von Werken Röslers sind rar, nur einige Lieder und eine Partita für Bläser wurden ediert.
Seine Kompositionen, die größtenteils im Archiv des Prager Konservatoriums und im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufbewahrt werden, sowie sein autographer Thematischer Katalog Repertorio di tutte le mie Composizioni incominciando dall' anno 1796 beweisen, dass er ein qualitätvoller, vielseitiger Komponist war und dass seine Musik verdient, im heutigen Musikleben wieder eine Rolle zu spielen.
Johann Joseph Rösler wurde am 22. August 1771 in Schemnitz (damals Ungarn, heute Banská Štiavnica in der Slowakei) geboren, wo sein Vater Carl Rösler als Bergrat wirkte. 1774 wurde Carl Rösler als Gubernialrat nach Prag versetzt. Vom Vater erhielt Joseph Rösler zwar die musikalischen Grundlagen, aber seine weiteren Musikambitionen wurden zu Hause nicht unterstützt. Neben dem Gymnasium und philosophischen Studien studierte er in Prag Musik als Autodidakt. Es gelang ihm, ein so hohes Niveau in Theorie und Praxis zu erreichen, dass ihm 1795 die Stelle des Kapellmeisters und Pianisten bei der Guardasoni Operngesellschaft in Prag angeboten wurde. Ab 1805 wirkte er als Kapellmeister am Opernorchester des Hoftheaters. In Wien gewann er die Zuneigung des Fürsten Lobkowitz und trat in seine Dienste. Schon 1810 erkrankte er (wahrscheinlich an Tuberkulose) und starb am 28. Januar 1812 in Prag.
Die Partitur des Concerto in Eb per il Piano Forte, komponiert im Juni 1803, besteht aus drei klassisch angelegten Sätzen: Allegro in Sonatenform, Andantino und Allegro in Form eines Rondos mit effektvollem Vivace am Schluss. Die Musik verrät dem Hörer die wichtigsten musikalischen Ereignisse, die Röslers Stil formten, wie etwa die Uraufführungen von Don Giovanni oder La clemenza di Tito in Prag, die Mozart mit der Guardasoni Operngesellschaft selber einstudiert hatte, oder Beethovens Auftritte in Prag, wo er seine Klavierkonzerte B-Dur und C-Dur spielte, die 1801 auch publiziert wurden. Rösler bereichert das Genre auf seine Art: mit wunderschönen Klavierfiguren, die den empfindsamen Virtuosen mit feinem Gefühl für sein Instrument bezeugen, mit einer geistreichen, farbigen und oft witzigen Instrumentation, die den erfahrenen Kapellmeister erkennen lassen, und mit dem Spiel mit den Hörerwartungen, die auf „klassische“ Fortsetzung gerichtet sind und dann eine „Enttäuschung“ erfahren – den Zuhörern werden dadurch einige Überraschungen geboten.
Die neue Edition gibt das Autographe der Partitur so treu wie möglich wieder, mit der ganzen Vielfalt der Feinheiten von Artikulation und Phrasierung und in der Partituranordnung des Originals, die am sinnvollsten und praktischsten für die Doppelfunktion des Klaviers als Solo- wie als Generalbassinstrument in den Tutti-Teilen ist. Auch wird heutigen Interpreten mit der Aussetzung des Generalbasses im Klavierauszug und dem modern gestalteten Stimmenmaterial Hilfe geboten.
Alena Hönigová
(aus [t]akte 1/2018)